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Mythos Marktführerschaft: Nichts wird so bleiben, wie es war!

Unternehmen erfinden sich aus zwei Ausgangssituationen heraus neu. Die erste Situation setzt ein hohes Maß an Demut seitens der Unternehmensleitung voraus, und die Kosten der Umstellung sind verhältnismäßig gering. Bei der anderen Ausgangssituation herrscht der Wunsch nach dem Verharren im Status quo vor, der nicht zuletzt mit einer gewissen Arroganz einhergeht. Die Kosten der Umstellung sind hier extrem hoch.

Szenario 1: Mutig Neues wagen

Visionäre Unternehmenslenker erfinden ihre Unternehmen immer wieder neu, vor allem dann, wenn sie Marktführer sind. Sie geben sich nicht mit der erreichten Marktposition zufrieden und setzen alles daran, durch eine kontinuierliche Fortentwicklung ihres Digitalisierungs- und Innovationsgrades ihren Vorsprung vor den Wettbewerbern stetig zu vergrößern! Aus dieser Position der Stärke heraus haben sie den Mut, Experimente zu wagen, haben sie doch zudem die kontinuierliche Innovation als Kernkompetenz verankert und sind an der Weiterentwicklung ihrer Produkte überaus interessiert.

Möglicherweise dachten Sie bei dem letzten Vortrag eines Google-Referenten, dass Google nun mal über das erforderliche Geld verfügt, um in so vielen neuen Feldern zu experimentieren, wie das Unternehmen das derzeit tut. Sie müssen sich jedoch vor Augen halten, dass das dafür notwendige Kapital nicht über Nacht verdient wurde, sondern das Resultat eines konsequenten und jahrelangen „Sich-infrage-Stellens“ ist!

Szenario 2: Durch Zwang zur Veränderung

Die Unternehmen, die dem zweiten Szenario zuzurechnen sind, sehen ihren Erfolg oder ihren bedeutenden Marktanteil als eine Konstante an, sodass sie sich in einer uneinnehmbaren Festung wähnen und bisweilen eine Bürokratie erschaffen haben, die jegliche Agilität oder ein schnelles und hartes Anpassen des zu verfolgenden Kurses unmöglich macht. Unternehmen wie General Electric in den frühen 2000er-Jahren und die Opel AG sind Beispiele für ein derartiges Verhalten. Häufig haben diese Firmen unternehmenseigene Inkubatoren geschaffen, die die Langsamkeit und Innovationsmüdigkeit des Unternehmens wettmachen sollen. Leider jedoch sind diese „Labs“ allesamt zum Scheitern verurteilt: Ein vorausfahrendes Schnellboot kann einen riesigen Tanker nicht zu einer Kursänderung bewegen.

Einzig und allein eine schwere Wirtschaftskrise veranlasst diese Unternehmen zu drastischen und oft schmerzhaften Veränderungsmaßnahmen, geht es doch plötzlich um das nackte Überleben. Die Corona-Pandemie macht den Unternehmen des zweiten Szenarios dies nun erbarmungslos deutlich. Ein trauriges Beispiel ist TUI, Europas größter Reisekonzern, der 10 Prozent seines Umsatzes, also 1.800 Millionen Euro, als Staatshilfe beantragt hat, was knapp dem Fünffachen des zuletzt erzielten Jahresgewinns entspricht!

Wie wird die Welt nach Corona aussehen?

Täglich werden wir in den Medien mit Meldungen konfrontiert, wie dramatisch sich die Welt durch das Coronavirus verändert hat und wie sie nach der Überwindung der derzeitigen Krise aussehen wird. Da jedoch noch gar nicht abschätzbar ist, wann die Krise wirklich überwunden sein wird, wir also zu unserem unbeschwerten Leben mit seinen vielen sozialen Kontakten zurückkehren können, ist es meines Erachtens Zeit, sich mit folgenden Fragen zu beschäftigen: Wie sehr hat Ihr bisheriges Geschäftsmodell noch Gültigkeit in einer Wirtschaftswelt nach der Krise? Welche Lehren müssen Unternehmen aus einem veränderten Konsumentenverhalten ziehen und in Bezug auf ihr Geschäftsmodell berücksichtigen

Geschäftsmodell und Digitalisierungsgrad

Erschreckend viele Branchen sind immer noch zum größten Teil auf den stationären Vertrieb ihrer Dienstleistungen angewiesen. Selbst in Branchen mit einem hohen Digitalisierungsgrad (zum Beispiel elektronischer Einzelhandel) macht der Anteil des E-Commerce selten mehr als 10 oder 15 Prozent aus. In einigen Branchen (beispielsweise Logistikdienstleistung und Vertrieb medizinischer Produkte) beschränkt sich dieser Anteil sogar auf einen niedrigen einstelligen Prozentbereich. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Organisationen einen großen und sehr teuren Vertriebsapparat unterhalten müssen. Meiner Erfahrung nach bleiben 85 Prozent aller Organisationen weit unter ihrem möglichen Return of Sales und erwirtschaften sogar in rund 40 Prozent einen negativen Return of Sales. Das liegt auch an dem Pareto-Prinzip, dem alle Vertriebsorganisationen unterworfen sind.

Dabei können Unternehmen ihre Kunden multidimensional ansprechen, vor allem während der noch anhaltenden Krise! Es ist so, als würden Sie die abblätternde Farbe an Ihrer Hauswand immer wieder neu überstreichen (eine neue Marketingkampagne oder ein Produktupdate etc.), statt sich intensiv damit zu befassen, weshalb die Farbe abblättert. Nehmen wir an, dass die Wand von innen her feucht ist, weil die viele Jahre zuverlässige Isolierung plötzlich brüchig geworden ist (Ihr Geschäftsmodell!).

Wenn Sie wissen, dass die Wand feucht ist, werden Sie das Problem natürlich an der Wurzel anpacken wollen. Daher kommen Sie nicht um eine Überholung des Geschäftsmodells herum – und dafür gibt es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt! Was in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten zu Ihrem Erfolg geführt hat, wird in den nächsten Jahrzehnten keinen vergleichbaren Erfolg begründen! Sie mögen zwar immer noch ansehnliche Ergebnisse erzielen, bleiben jedoch weit hinter Ihren Möglichkeiten zurück – und schlimmer noch: Sie bauen keine Resilienz gegenüber zukünftigen globalen Verwerfungen wie der Corona-Krise auf.

Machen Sie sich das einmal bewusst: Eine Reduktion Ihrer Umsatzabhängigkeit vom stationären Handel reduziert die Notwendigkeit von persönlichen Besuchen und erhöht Ihre Resilienz für den Fall, dass aufgrund einer ähnlichen Krise direkte soziale Kontakte für einen längeren Zeitraum erneut unmöglich werden! Dazu müssen Sie sich all

Ihrer Customer Touch Points bewusst werden und diese bei der Anpassung Ihres Geschäftsmodells berücksichtigen!

Veränderter Konsum bzw. Änderung des Kundenverhaltens

Der zweite wichtige Faktor, mit dem sich Unternehmen jetzt beschäftigen müssen, ist das veränderte Konsumverhalten, das durch die Corona-Krise bedingt und entscheidend für die Zukunft ist. Nehmen wir die Fußballbundesliga als Beispiel: Viele Vereine erwirtschafteten bis vor kurzem Umsätze im hohen dreistelligen Millionenbereich. Neben dem Sponsoring erzielten sie und die Liga Reichweite und Umsatz mit vollen Fußballstadien. Doch anstatt wie bisher samstagnachmittags mit dem Kumpel ins Stadion zu gehen, bleiben möglicherweise viele bislang treue Stadionbesucher (zumeist Väter) in Zukunft zu Hause, da sie die gemeinsame Zeit mit der Familie lieb gewonnen haben und sie ihnen mittlerweile wichtiger ist, als ihren Verein zu unterstützen. Zudem kann es durchaus sein, dass viele Menschen generell die Nähe zu anderen unbekannten Menschen bei Großveranstaltungen vermeiden werden, und zwar auf Jahre hinaus!

Die Fußballvereine sollten daher keinesfalls annehmen, dass nach einer Aufhebung der aktuellen Beschränkungen alles wieder so sein wird, wie es vorher war. Vielmehr sollten sie beispielsweise überlegen, wie sie die einbrechenden Einnahmen aufgrund der ausbleibenden Zuschauer kompensieren können: Ist möglicherweise eine Erhöhung der Anzahl der Spiele erforderlich, oder müssen sie umdenken bezüglich des Sponsorings oder der Vermarktung der Spiele? Und welche neuen Einnahmequellen könnten sie sich durch eine Anpassung des Geschäftsmodells erschließen?

Fazit

Die Unternehmen müssen sich gerade in einer extrem taktisch geprägten „Krisenzeit“ wie der jetzigen mit der strategischen Fragestellung beschäftigen, wie sie ihr Geschäftsmodell digitaler und weniger stationär ausrichten können, und zum anderen analysieren, wie sich ein verändertes Konsumentenverhalten auf die bisherigen Umsatzzweige in der Zukunft auswirken wird. Jetzt gilt es, dafür die Weichen zu stellen, um nicht nur möglichst schnell wieder aus dem Krisenmodus herauszukommen, sondern auch resilienter und damit nachhaltiger zu wirtschaften.

Diskutieren Sie zu diesen und anderen Themen mit uns! Wir haben beschlossen, jeden Mittwoch um 17 Uhr ein 45-minütiges Webinar zu veranstalten. Durch den konstruktiven Austausch auf unternehmerischer Augenhöhe können Sie von den Best Practices im Krisenmanagement anderer Unternehmen in dieser extrem schwierigen Zeit profitieren und wertvolle Impulse zu neuen Geschäftsmodellen mitnehmen.

Wenn Sie an unserem Webinar teilnehmen möchten, treten Sie gerne mit uns in Kontakt, oder melden Sie sich gleich hier an.

Author:

Alexander Nowroth, Managing Partner, Lebenswerk Management GmbH

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